Montag, 25. Februar 2008

Samstag, 16. Februar 2008

München - Meine Wohnung













Es kommt eine Zeit im Leben eines jungen Menschen, zu der er das erste Mal das Elternhaus verlässt und sich alleine in der Welt herumschlagen muss. Mit Wäsche waschen, Nebenkosten und Vermietern.
In den letzten Jahren bin ich bei diesem Kampf durch so manche Wohnung gekommen. Ich habe schon in einer klammen Kammer mit lärmenden Kühlschrank neben dem Bett gewohnt, im obersten Stock eines schwankenden Hochhauses mit beeindruckender Aussicht auf die Errungenschaft der Ludwigshafener Chemie-Industrie, zur Untermiete bei einem Typen, dessen Geschäfte wohl nicht immer ganz legal waren, wie ich Heute noch vermute, und gemeinsam mit mal einem Engländer, mal einem Amerikaner, mal einem Chinesen, Belgier oder Franzosen in einem Zimmer zusammen.
Nun bin ich in München. Und fühl mich zutiefst unwohl. Vielleicht ist es das auch bei mir voranschreitende Alter, dass ich einiges einfach nicht mehr hinnehme... Eine ältere Dame (von jetzt an „Die Alte“ genannt) hat mir ein möbliertes Zimmer in ihrer Altbau-Wohnung untervermietet. Seit sechzig Jahren lebe sie hier, meint sie. Man merkt es. Überall Krimskrams, coole Möbel aus den 50ern und grausige Möbel aus den 60ern. Und dann Zeugs, was wohl nur in Bayern findet: ein Mini-Abendmahlset steht im überladenen, dunklen Flur. Ein Ludwig-Zwo-Porträt hängt im noch dunkleren Esszimmer, wo Die Alte abends stundenlang in ihrer Ecke vor einem Computer hockt. In meinem Zimmer ziert die Holzfigur irgendeiner dubiosen Heiligen eine der Ecken. Fast könnte ich sie lieb gewinnen, stünde sie nicht für alles, was ich nach gerade mal zwei Wochen an diesem Laden hier verabscheuen gelernt habe: es ist dunkel, angestaubt, überladen – ich ringe nach Luft.

Vergangenes Wochenende wurde mir morgens von der Vermieterin alias Die Alte nahe gelegt, doch bitte auch den Duschvorhang im Badezimmer nach der Dusche abzutrocknen... Ich mag nicht recht in die Küche. Ich meine, auf rohen Eiern zu gehen. Ich bin bei ihr zu Hause. Nicht bei mir. Und dafür zahle ich teuer.

Doch ich lerne. Zum Beispiel, mehr Acht darauf zu geben, wann ich den Mietvertrag zu sehen bekomme. In diesem Fall war es ein guter Tag nach meinem Einzug. Was hätte ich anders tun können als unterschreiben? Das war wohl ein Fehler... Nun, so der Vertrag, bin ich verpflichtet, Besuch anzumelden – und auf Übernachtungsgäste werde ein Aufschlag erhoben. Ich will niemanden einladen. Das ist mir so unangenehm.

Schon lange habe ich mich in meiner Haut nicht mehr so unwohl gefühlt wie hier. Es ist nichts, was sie („Die Alte“) exakt gesagt oder getan hätte. Es ist nicht so, als könne ich nicht in die Küche. Es ist nicht so, als wäre ich auf diese vier Wände beschränkt. Aber ich fühle mich eingesperrt. Gegängelt und nicht gerade respektiert.

Eigentlich ist die Wohnung in ihrem stickigen Chaos lustig: mit ihren Heiligen, den übervollen Schränken und Regalen, dem alten Holzfußboden, den uralten Urkunden, die der Familie der Alten irgendwann mal einen bescheidenen Adelstitel attestierten – und ihren zahlreichen Uhren... von denen keine richtige läuft. Nicht im Bad. Nicht in der Küche. In meinem Zimmer ist es ständig kurz nach 3. Welches 3, weiß ich nicht.

Es ist eine tote Wohnung. Ohne Leben. In zwei Wochen bin ich hier draußen. Ich habe meine Kündigung eingereicht. Die Alte ist nicht begeistert. Will die Kündigung nicht akzeptieren Doch ich gehe. Mitleid habe ich da keines.... Noch kämpfe ich auf dem erbarmungslosen Münchner Wohnungsmarkt. Aber ich weiß: hier kann ich nicht bleiben.

Samstag, 9. Februar 2008

München - Erste Eindrücke

München wurde vor 850 Jahren dadurch gegründet, dass in der Nähe einer Mönchssiedlung eine Brücke über die Isar geschlagen wurde. Man wollte Reisende und Handel an diese Stelle binden, um so praktischerweise auch an Geld zu kommen.
Viel hat sich seit damals nicht verändert. München zieht immer noch Massen von Menschen an, hat ein paar bekannte Unternehmen aufzuweisen, ist sakrisch teuer – und oben drein immer noch äußerst katholisch.

Auch mich hat es nun in diese Stadt verschlagen, die nur so darauf versessen ist, zu zeigen wie schön und liebenswert sie ist und daher so gern einen strahlenden, tiefblauen Himmel über ihre Dächer spannt.
Vor einer Woche bin ich angereist. Mit der Bahn. Um mich herum saßen bereits Menschen, die so typisch für München seien mögen: die Studentin neben mir blickte angespannt auf einige selbst zusammengeschriebene Notizen bevor sie sich dann von ihrem Handy mit rosa-leuchtendem Display bannen ließ. Viele hatten ihre Notebooks dabei. So auch ich. Hauptsächlich Männer. Der eine spielte (ein Typ um die 30 mit der unvorteilhaften Kombination aus Haarverlust und Gewichtszunahme), der andere kuckte Filme (ich) und der dritte schrieb einen Artikel über den Heiligen Don Bosco. (In München gibt es gern und viele Heilige.) Ein Typ, der so aus sah, wie die 68er wohl ausgesehen hätten, wären diese vierzig Jahre später dran gewesen, erging sich in welterfassende Reden – vor allem mit zwei schwäbelnden Polizeibeamten in zivil. Ich tat, was jeder tut: höflich wegblicken.
Nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt kam die Durchsage „München, Hauptbahnhof“ – in aller bestem mit bayerischem Idiom unterlegten DB-Englisch.

Ich genieße die Stadt: ihre prachtvollen Bauten, ihre Menschen, ihre charmante Art. Sie ist noch überschaubar, hat aber bereits dieses „Was gehen uns die anderen an?“ an sich, das den Bürgern der besten Weltstädte den Ruf einbringt, unfreundlich zu sein. München ist abwechslungsreich. Mit seinen Cafés, seinen Geschäften, seinen Viertel – und wieder den Menschen. Da wären die Ausländer, die durch die Stadt streifen. An jeder Ecke hört man Englisch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Chinesisch und auch noch die Sprachen der unterschiedlichsten, in Integrationsstatistiken auftauchenden Bevölkerungsgruppen. Viele Zugezogene sind in der Stadt. Fast schon schwer erscheint die Suche, einen hier groß gewordenen zu treffen. Und dann die Art: in New York bleiben nur Touristen an roten Ampeln stehen, in Paris niemand. Hier in München stehen die Fußgänger und warten auf grün. Wer es wagen sollte, die völlig freie Straße vorher zu überqueren, muss dem Hagel der bösen Blicke standhalten. Gleichzeitig hat man hier die Ruhe weg. Beim ersten Mal war ich noch überrascht, als der Fahrer meines Feierabend-Busses an einer Haltestelle ausstieg, zu einem an jeder Ecke der Stadt stehenden Zeitungs-Verkaufskästen ging, mit einer Bild zurück kam – und auch noch anfing, diese zu lesen bevor er weiterfuhr. Mittlerweile begreife ich dieses Verhalten als nicht mehr erwähnenswert.

Weltstädtisch ist auch der Umgang dieser Stadt mit der Welt: sie wird toleriert. Wieder findet hier die so genannte Sicherheitskonferenz statt, was bedeutet, dass sehr viel Sicherheit für die Konferierenden produziert werden muss. Die Innenstadt wimmelt von Polizei aus allen Ecken des Freistaates. Die Münchner scheint es nicht zu stören. Unbeeindruckt gehen sie an diesen Sicherheitskräften vorbei und zwischen ihnen hindurch.
In München ist die Welt zu Gast bei Freunden – aber macht bloß nicht den Teppich schmutzig!

Ich fühle mich wohl in dieser Stadt. Sie hat ihre Ecken und Kanten, scheint aber diese auch mit einem gewissen Stolz zu tragen. München ist bürgerlich, konservativ, fortschrittlich, traditionsbewusst, weltoffen und – mein neues zu Hause.