Ein unangenehmes Hotelzimmer kann einem die Nacht arg verleiten. Das Rasieren am Morgen übrigens auch. Und ich hege den ganz starken Verdacht, dass ich hier meinen wundervollen Füllfederhalter, den ich letzte Weihnachten von meinen Großeltern geschenkt bekam, vergessen habe. Auf spätere Nachfrage hatte das Hotel natürlich nichts gefunden. Gewisse Vermutungen gegen das Housekeeping-Personal stellen sich da ein...
In der Lobby treffe ich auf meine Damen. Diese haben gerade ein kleines Frühstück zu sich genommen. Etwas Obstsalat, Kaffee – nicht mehr. Das Hotel rechnet standardmäßig 14,95 € ab. Reisender, kommst du nach Frankfurt, mache einen weiten Bogen um das Leonardo Hotel am Bahnhof!
Ein junger Taxifahrer südländischer Herkunft – der best gekleidete seiner Zunft auf unserer Reise – wartet schon. Auf unserer Fahrt zum Flughafen verlieren wir uns in Fachgesprächen darüber, wie sehr Australien sein Tourismusmarketing derzeit auf den neuen Kinofilm „Australia“ mit Nicole Kidman aufbaut. In den USA floppte der Streifen bereits...
Der Check-In am Airport geht schnell von statten. So langsam weiß man die Automaten zu bedienen. Ich rufe Sandra an. Sie ist eine liebe Freundin, die mir einst mit ihrem Computer eine wichtige Präsentation rettete. Irgendwo in dem Gewusel des Frankfurter Flughafens arbeitet sie. Im Moment steckt sie allerdings noch im Stau. Unser abgemachter, gemeinsamer Kaffee muss warten. Ich bummle wartend durch Terminal 1. Überall Desinger-Boutiquen. Ein Buchgeschäft (in dem ich in Asterix-Alben schmökere) und eine Beate Uhse Filiale, deren Vorhang am Eingang gerade so weit auf ist, dass die Neugier geweckt wird.
Ich bin passenderweise auf dem Klo, als Sandra anruft um zu sagen, dass sie mittlerweile da ist. Wir landen bei Starbucks, wo sie Ermäßigungen bekommt. Ein kurzer Austausch, der noch kürzer wird, als ich von meiner Kollegin Tanja die SMS bekomme, mich ja zu beeilen da der Sicherheitscheck ewig dauern würde.
Check Nummer 1 endete mit dem selben, liebevollen Betatschtwerden wie in München, geht aber schnell. Es folgt die Passkontrolle, die daran erinnert, dass unser nächstes Reiseziel sich immer noch geradezu wehrhaft einem EU-Beitritt widersetzt. Dann weiter zu Sicherheitscheck Nummer 2, der nötig wird, da an unserem Gate auch internationale Reisende umsteigen ohne je offiziell deutschen Boden zu betreten. Hier zieht sich nun die Schlange und meine inneren Flüche auf die Schweizer Haltung Europa gegenüber werden kräftiger. Auch hier piepst es wieder und ich frage mich ehrlich, ob in meine Kleidung Stahl eingewebt wurde. Nach dem nun schon vertrauten Petting durch einen Sicherheitstypen bittet der mich auch noch, meine Schuhe auszuziehen. Die Hitze im Terminal bedingt, dass sich meine Socken nicht zu appetitlich darstellen. Aber es ist ja sein Job, nicht meiner.
Per Shuttle geht es zu unserer Maschine der Swiss. Wir nehmen Platz – und sitzen dann erst mal. Und sitzen. Aus dem Cockpit erfahren wir, dass der Flughafen wegen eines Notfalles gesperrt wurde. Durch das Fenster sehe ich Rettungsfahrzeuge vorbeijagen. Der Tag wird immer besser. Eine gute Stunde stehen wir am Boden. Wenigstens bekommen wir Toblerone. Die Schweiz wird mir wieder ein Stückweit sympathischer.
Als wir uns zu fragen beginnen, ob wir unsere Termine noch einhalten können, kommt das Okay zum Abheben. Wir fahren an einem United Airlines-Flugzeug vorbei, von dem meine Kolleginnen meinen, Flammen aus einem der Triebwerke zu sehen.
Kaum dass wir in der Luft sind kann ich bereits die Alpen erkennen. Unter uns der Bodensee. Ganz klar sind die Inseln Reichenau und Mainau auszumachen. Dort liegt Konstanz. Ein Freund von mir lebt dort... Ich kann meine Augen nicht von den Bergen nehmen. Sie bedecken den Horizont. Ich bete, dass ich im Leben nie so viel reisen werde, dass mich solch ein Blick aus einem Flugzeug nicht länger begeistern kann. Mit dem Wissen, dass ich uns damit wohl abstürzen lassen kann, schieße ich Fotos. Es ist atemberaubend.
In Zürich stehen wir am Gepäckband und warten auf Tanjas Koffer. In der Zwischenzeit lerne ich auf der Toilette, dass man in der Schweiz Türen nicht drückt, sondern stößt. Tanjas Koffer kommt nicht. Ein deutscher Herr mittleren Alters, der sich wie ich meine schon in Frankfurt aufgeregt hat und seinen „Senator“-Status-Trumpf ungefragt ausspielen musste, vermisst ebenfalls sein Gepäck. Und dies lautstark.
Die Schlange zieht sich mit einer wohl der Schweiz eigenen Gelassenheit – welche die Touristen nicht unbedingt zu teilen scheinen. Tanja’s Koffer ist weg. Dafür erhält sich ein hübsches Kulturtäschchen mit Zahnbürste, T-Shirt und „Frauenzeugs“.
Wieder nehmen wir ein Taxi. Die Zeit wird uns etwas knapp. Der Taxifahrer ist so nett und klärt uns darüber auf, wo man in Zürich die beste Bratwurst findet. Unser Hotel ist ein kleines Gasthaus im Herzen der Altstadt. Schon beim Betreten fühlt man sich wohl. Das Personal an der Rezeption ist mit solcher Selbstverständlichkeit freundlich, dass Frankfurt sofort vergessen ist. Im Zimmer, wo wieder Toblerone auf dem Kopfkissen liegt, reiße ich das Fenster auf und genieße die knackig frische Luft, die durch Zürich weht. Auf dem kleinen Platz vor dem Hotel wird gerade ein Weihnachtsbaum dekoriert. Mir gefällt’s.
Tanja und ich machen uns dann auf dem Weg zu unserem Gespräch bei einem Reise-Fachmagazin. Wir stoppen bei der uns empfohlenen Wurstbude direkt am Zürich-See. Der Taxifahrer hatte mit großer Wahrscheinlichkeit Recht und der dortige Hausmachersenf ist so herrlich scharf, dass mir die Tränen kommen.
Mit der Tram geht’s weiter. Die Büros, in die wir müssen, liegen im 3. UG. Horrorvorstellungen an so manche Souterrainwohnung, die man mal gesehen hat, kommen hoch – die Büros erweisen sich allerdings als wundervoll hell und geräumig.
Zurück in der Innenstadt fängt die nette Dame am Ticketschalter, wo wir die Bahnkarten für die Rückfahrt zum Flughafen kaufen, gleich einen freundlichen Plausch über München an. Zürich wird mir immer lieber.
Dieses Gefühl setzt sich fort, als wir durch kleine Gassen mit ihren charmanten Fachgeschäften spazieren. Neben Designerläden stehen jahrhundertealte Bäckereien – und ein weihnachtlich geschmückte Kondomhandlung. Die Schweiz hat mittlerweile bei mir eine ganze Reihe fetter Pluspunkte.
Unser nächster Termin mit einem Schweizer Reiseveranstalter ist wieder im Hotel. Danach geht es zu unserem letzten Abendtermin auf unserer großen Fahrt. Dieser ist in einer Wirtschaft, welche ein kurze Gasse weg liegt. Die Gäste sammeln sich zahlreich. Dieses Mal ist es kein Stehempfang wie in Hamburg oder Frankfurt, sondern ein gemütliches Abendessen. Man tauscht sich aus. Die Atmosphäre ist freundschaftlich. Ich versuche, nicht unbedingt gut, mein Schwäbisch hervorzukramen. Es heißt, die Schweizer schätzten mundartbewanderte Deutsche mehr als die Hochdeutsch sprechende Variante...
Die Schweizer erweisen sich als überraschend ausdauernd. Um viertel nach neun habe ich eigentlich mit einem alten Schulkameraden, der derzeit in Zürich an seiner Promotion arbeitet, verabredet. Peinlich berührt muss ich mich verabschieden, während meine Kolleginnen bleiben. Nicht der beste Eindruck, den ich hinterlasse. Ärgerlich. Aber ich möchte Benny wieder sehen. Als ich ihn irgendwann neben meinem begeisterteten – und von Müdigkeit gespickten – Redeschwall über meine neue Arbeit zu Wort kommen lasse, eröffnet er mir, er sei verlobt... Ich werde alt. Wir trinken in einer Bar hoch über den Dächern der Stadt zwei Bier.
Zu letzt kommt Benny noch mit ins Hotel. Wir reden weiter. Ich lerne, was ich tragen soll und was nicht. Trotzdem verzichte ich weiterhin wenn möglich auf Krawatten. Gegen Mitternacht verabschieden wir uns. Ich bin müde, lese aber noch ein wenig und schlafe dann erschöpft und immer noch überwältigt von den Eindrücken der letzten Tage ein.
Die Reise zurück nach Deutschland erweist sich als angenehm unspektakulär. Gemeinsam mit Tuula aus Helsinki geht es über den eleganten Züricher Hauptbahnhof zum Flughafen. Hier verabschieden wir uns. Das nächste Mal werden wir uns im Januar zur Reisemesse in Finnland sehen.
Hinter dem Sicherheitscheck, der dieses Mal zu meinem tiefsten Erstaunen ohne jeglichen Piep-Ton erfolgt, besorge ich noch etwas Schweizer Schokolade für meine Mutter, zu deren Geburtstag ich nun nach Hause fahre.
Der Flug ist wie Busfahren. Gerade mal 30 Minuten braucht es nach Stuttgart. Unter mir wieder Berge. Dann die schneebedeckte Schwäbische Alb. Ich erkenne Landschaften...
Die S-Bahnfahrt vom Flughafen zum Stuttgarter Bahnhof dauert fast eine halbe Stunde. Beim Aussteigen fällt mir ein am Fenster des Wagons klebender Psalm auf. Ich bin in Stuttgart. Wo sonst?
Erschöpft und mit einer Tüte mit fettigem Burger King-Inhalt falle ich in meinen Zug gen Ulm. Die vergangenen Tage waren Wahnsinn. So viel gesehen, so viel getan. So viele Menschen kennen gelernt. Ich bin müde. Und unglaublich dankbar.
Ich bin Geschäftsreisender.
Mittwoch, 10. Dezember 2008
Dienstag, 9. Dezember 2008
Meine erste Geschäftsreise, Teil 2
Die Nacht fühlte sich kurz an. Ein morgendlicher Blick auf die noch dunklen Straßen brachte eine Überraschung: es schneite.
Als Süddeutscher verbindet man Schnee in Hamburg stets mit Schadenfreude. Wenn hier mal ein paar Flöckchen vom Himmel kommen, berichtet die Tagesschau gleich von einem Wetterchaos. Das da draußen waren aber keine paar Flöckchen. Das war ein ordentliches Schneegestöber. In Hamburg. (Später hieß es, in München sei es den ganzen Tag über sonnig gewesen...)
Der Weg zum Frühstück führte ins Freie. Meine so gut zum Anzug passenden schwarzen Schuhe erwiesen sich nur wenig wintertauglich und so schlitterte ich mit Koffer im Schlepptau den Bürgersteig entlang. Gebrochen habe ich mir nichts.
Ich war der letzte unserer kleinen, vierköpfigen Gruppe, der am Frühstückstisch eintraf. Müsli, Tee und ein Muffin waren meine erste Mahlzeit des Tages... weitaus mehr, als das was ich üblich zu mir nehme; es war ja im Zimmerpreis inbegriffen. Ein Schwabe bin ich, eine Schwabe bleib ich.
Der Fußweg zum Hamburger Hauptbahnhof war ebenfalls eine schöne Schlitterpartie im Schnee. Ich erwartete eine Nachrichtenkamera, die mich bei einem eventuellen Fall auf mein hübsches Hinterteil filmen würde, so dass ich dann als Beweis für eine Schneekatastrophe in der Hansestadt in den Hauptnachrichten hätte dienen können. Wider Erwarten schaffte ich es heil in die imposante Bahnhofshalle, die mit noch imposanteren Weihnachtsdekorationen geschmückt war. Hatte alles etwas mehr klasse als in München.
Neben einer Gruppe Schulkinder warteten wir auf unseren ICE nach Frankfurt am Main. Ich versuchte noch meine Bekannte Silke zu erreichen. Sie hatte sich eigentlich mit mir in Hamburg treffen wollen. Beim nächsten Mal eben. Hoffentlich sehe ich dann auch was von der Stadt...
Der ICE kam pünktlich. Die Fahrt war ereignislos. Vor den Fenstern alles weiß. Viel zu tun gab es noch. Der Zug bot kein Internet. Und das im Jahr 2008... und selbst der Handyempfang war mies. Die Region, die wir durchquerten, wurde mir auch einmal als „Hessisch-Sibirien“ beschrieben. Ich weiß nun, warum.
In Frankfurt regnete es. Dicke, graue Wolken hingen an den obersten Stockwerken der Hochhäuser. Mittlerweile vermute ich, dass Frankfurt einfach nicht möchte, dass ich es mag. Unser Hotel lag in einer Straße nahe am Bahnhof. Die Herberge können wir mal getrost bescheiden nennen.
Wir spazierten zu unserem ersten Termin vorbei an einer Reihe Döner-Buden, Sexshops (inklusive dem „Dolly Buster Center“) und einem Juwelier, vor dem zwei Polizeibeamte in einer Montur, die ich nur der GSG 9 zugetraut hätte, einen Jugendlichen nicht näher definierter Nationalität (das wäre wohl politisch nicht korrekt) bäuchlings auf den Boden vor der Tür gedrückt hielten. Sympathischer erster Eindruck... Im Erdgeschoss des Hochhauses der Europäischen Zentralbank lag ein Euro-Souvenirshop. Knapp dahinter lag eine Mercedes Benz Filiale mit angeschlossenem Café, in der wir unseren ersten Geschäftspartner des Tages trafen.
Dem Gespräch schloss sich ein weiterer Spaziergang durch die Frankfurter Innenstadt an: Hauptwache, Blick auf die Zeil und weiter im Slalomkurs zahlreichen Baustellen ausweichend. Manche von den Hochhäusern wirken, als neigten sie sich bedrohlich auf die Passanten. Wir durchquerten eine U-Bahn Station, deren Foto man ganz nett in den Duden neben den Begriff „abgefuckt“ setzen könnte. Als Kulisse einer Vergewaltigungsszene könnte sie auch ohne weiteres herhalten.
Ein kleines, recht altmodisches Café diente uns als Ort für den nächsten Termin. Lief gut. Gleich gegenüber war die Location für unsere Abendveranstaltung: der Laden von Marimekko, einer recht stylischen wie zeitlosen finnischen Modemarke. Nette Finnen bedienten uns. Es gab Rentierhäppchen. Lecker. Ein weiteres Viech, das ich also schon mal gegessen hab. Jetzt freu ich mich mal auf Elch.
Kurz vor 21 Uhr waren die Gäste fort. Ich hatte mich noch mit einer Freundin aus Studienzeiten verabredet, die ich seit 2006 nicht mehr gesehen hatte. Den Weg gestaltete ich mir kompliziert. Zwei mal stieg ich in der Frankfurter U-Bahn um, die niedlicherweise was von alten Straßenbahnen hat. Wenigstens hat man dort unter Tage überall Handyempfang (vermutlich um im Notfall die Polizei zu verständigen), wovon sich München ruhig mal eine Scheibe abschneiden könnte.
Gemeinsam saßen wir dann in einer gemütlichen Bar bei Bionade (ach ja... Zeitgeistgetränke haben schon was) und tauschten Geschichten aus. Es tat gut. Mittlerweile erkennt man gute Freunde sehr schnell daran, ob man nach Jahren, in denen man sich nicht gesehen hat, sich nichts mehr zu sagen hat oder sich so unterhält, als hätte man sich erst gestern zu letzt gesehen.
Gegen Mitternacht war ich im Hotel. Mein Zimmer ging zu einem Hinterhof raus. Unter der Nachtkonsole tummelten sich Wollmäuse. Ich ignorierte den Gedanken, was die Matratze wohl verbarg, und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Als Süddeutscher verbindet man Schnee in Hamburg stets mit Schadenfreude. Wenn hier mal ein paar Flöckchen vom Himmel kommen, berichtet die Tagesschau gleich von einem Wetterchaos. Das da draußen waren aber keine paar Flöckchen. Das war ein ordentliches Schneegestöber. In Hamburg. (Später hieß es, in München sei es den ganzen Tag über sonnig gewesen...)
Der Weg zum Frühstück führte ins Freie. Meine so gut zum Anzug passenden schwarzen Schuhe erwiesen sich nur wenig wintertauglich und so schlitterte ich mit Koffer im Schlepptau den Bürgersteig entlang. Gebrochen habe ich mir nichts.
Ich war der letzte unserer kleinen, vierköpfigen Gruppe, der am Frühstückstisch eintraf. Müsli, Tee und ein Muffin waren meine erste Mahlzeit des Tages... weitaus mehr, als das was ich üblich zu mir nehme; es war ja im Zimmerpreis inbegriffen. Ein Schwabe bin ich, eine Schwabe bleib ich.
Der Fußweg zum Hamburger Hauptbahnhof war ebenfalls eine schöne Schlitterpartie im Schnee. Ich erwartete eine Nachrichtenkamera, die mich bei einem eventuellen Fall auf mein hübsches Hinterteil filmen würde, so dass ich dann als Beweis für eine Schneekatastrophe in der Hansestadt in den Hauptnachrichten hätte dienen können. Wider Erwarten schaffte ich es heil in die imposante Bahnhofshalle, die mit noch imposanteren Weihnachtsdekorationen geschmückt war. Hatte alles etwas mehr klasse als in München.
Neben einer Gruppe Schulkinder warteten wir auf unseren ICE nach Frankfurt am Main. Ich versuchte noch meine Bekannte Silke zu erreichen. Sie hatte sich eigentlich mit mir in Hamburg treffen wollen. Beim nächsten Mal eben. Hoffentlich sehe ich dann auch was von der Stadt...
Der ICE kam pünktlich. Die Fahrt war ereignislos. Vor den Fenstern alles weiß. Viel zu tun gab es noch. Der Zug bot kein Internet. Und das im Jahr 2008... und selbst der Handyempfang war mies. Die Region, die wir durchquerten, wurde mir auch einmal als „Hessisch-Sibirien“ beschrieben. Ich weiß nun, warum.
In Frankfurt regnete es. Dicke, graue Wolken hingen an den obersten Stockwerken der Hochhäuser. Mittlerweile vermute ich, dass Frankfurt einfach nicht möchte, dass ich es mag. Unser Hotel lag in einer Straße nahe am Bahnhof. Die Herberge können wir mal getrost bescheiden nennen.
Wir spazierten zu unserem ersten Termin vorbei an einer Reihe Döner-Buden, Sexshops (inklusive dem „Dolly Buster Center“) und einem Juwelier, vor dem zwei Polizeibeamte in einer Montur, die ich nur der GSG 9 zugetraut hätte, einen Jugendlichen nicht näher definierter Nationalität (das wäre wohl politisch nicht korrekt) bäuchlings auf den Boden vor der Tür gedrückt hielten. Sympathischer erster Eindruck... Im Erdgeschoss des Hochhauses der Europäischen Zentralbank lag ein Euro-Souvenirshop. Knapp dahinter lag eine Mercedes Benz Filiale mit angeschlossenem Café, in der wir unseren ersten Geschäftspartner des Tages trafen.
Dem Gespräch schloss sich ein weiterer Spaziergang durch die Frankfurter Innenstadt an: Hauptwache, Blick auf die Zeil und weiter im Slalomkurs zahlreichen Baustellen ausweichend. Manche von den Hochhäusern wirken, als neigten sie sich bedrohlich auf die Passanten. Wir durchquerten eine U-Bahn Station, deren Foto man ganz nett in den Duden neben den Begriff „abgefuckt“ setzen könnte. Als Kulisse einer Vergewaltigungsszene könnte sie auch ohne weiteres herhalten.
Ein kleines, recht altmodisches Café diente uns als Ort für den nächsten Termin. Lief gut. Gleich gegenüber war die Location für unsere Abendveranstaltung: der Laden von Marimekko, einer recht stylischen wie zeitlosen finnischen Modemarke. Nette Finnen bedienten uns. Es gab Rentierhäppchen. Lecker. Ein weiteres Viech, das ich also schon mal gegessen hab. Jetzt freu ich mich mal auf Elch.
Kurz vor 21 Uhr waren die Gäste fort. Ich hatte mich noch mit einer Freundin aus Studienzeiten verabredet, die ich seit 2006 nicht mehr gesehen hatte. Den Weg gestaltete ich mir kompliziert. Zwei mal stieg ich in der Frankfurter U-Bahn um, die niedlicherweise was von alten Straßenbahnen hat. Wenigstens hat man dort unter Tage überall Handyempfang (vermutlich um im Notfall die Polizei zu verständigen), wovon sich München ruhig mal eine Scheibe abschneiden könnte.
Gemeinsam saßen wir dann in einer gemütlichen Bar bei Bionade (ach ja... Zeitgeistgetränke haben schon was) und tauschten Geschichten aus. Es tat gut. Mittlerweile erkennt man gute Freunde sehr schnell daran, ob man nach Jahren, in denen man sich nicht gesehen hat, sich nichts mehr zu sagen hat oder sich so unterhält, als hätte man sich erst gestern zu letzt gesehen.
Gegen Mitternacht war ich im Hotel. Mein Zimmer ging zu einem Hinterhof raus. Unter der Nachtkonsole tummelten sich Wollmäuse. Ich ignorierte den Gedanken, was die Matratze wohl verbarg, und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Montag, 8. Dezember 2008
Meine erste Geschäftsreise, Teil 1
Millionen von Menschen sind unterwegs. Sie reisen von A nach B. Nutzen Bahn. Auto. Flug. Schiff. Wasauchimmer. In einer Zeit, in der e-mails in Lichtgeschwindigkeit um den Erdball verschickt werden und man sich bei Telefonkonferenzen mit den Kollegen aus Dubai, Perth und Braunschweig langweilt scheint das Bedürfnis in die Höhe geschossen zu sein, auch tatsächlich mit Menschen vor Ort sprechen zu müssen. Vor kurzem war mir dies alles noch fremd und ich blickte mit Staunen und Unverständnis auf diese Welt aus Meilenprogrammen und Rollkoffern. Das Staunen und auch die Unverständnis sind geblieben. Nur gehöre ich nun auch dazu: ich bin ein Geschäftsreisender.
Es war nun Anfang Dezember 2008. Der erste Schnee war bereits gefallen und wieder geschmolzen und ich war seit gerade einmal zwei Wochen in meiner neuen Arbeitsstelle, welche versprach, mich des Öfteren durch halb Europa – und vor allem gen Norden – zu schicken. Mit dem herannahenden Weihnachtsfest bot es sich an, in drei verschiedenen Städten für unsere Geschäftspartner kleine Abendveranstaltungen anzusetzen. Dies sollte mitunter auch den Zweck erfüllen, mich in diese Gesellschaft einzuführen.
So kam es, dass am Dienstag, den 2. Dezember, kurz vor 7 Uhr morgens mein Handy seinen fröhlichen Gitarrenklimper-Wecker erschallen ließ. Aus dem Bett raus, unter die Dusche, rasieren und schließlich in einen der neuen Anzüge hinein, die man sich extra für diese Anlässe zugelegt hatte. Draußen war noch dunkel und mir stellte sich die Herausforderungen, mein Gepäck zu schließen. Leicht zu reisen fiel mir noch nie leicht. Aber Gewalteinwirkungen gegen den Reisverschluss meines Koffers führten bislang immer zum Ziel.
Mit der U-Bahn – die in München in den Wintermonaten freundlicherweise stets so geheizt wird, dass man sich freudig wieder in die Kälte hinauswirft um dem Hitzschlag zu entgehen – ging es zum Ostbahnhof. Dort auf meine S-Bahn wartend, zog schnaufend eine alte Dampflokomotive vorbei. Wie aus einem Film der frühen 50er Jahre. Nur Heinz Rühmann fehlte am Bahnsteig...
Möchte man an der Verbindung zum Münchner Flughafen, der auf den nicht immer leicht zu ertragenden Namen „Franz Josef Strauß“ hört, etwas gutes finden, so kann man doch sagen, dass reichlich Zeit geboten wird, sich über die kommende Reise Gedanken zu machen. Während auf der 40-minütigen Fahrt das neue Hochhaus der SZ im malerischen Stadtteil Steinhausen (welcher mitunter am bekanntesten für seinen Straßenstrich sein mag) und schließlich die Ebenen Oberbayerns an mir vorbeiglitt, führte ich mir noch einmal die nun kommenden Tage vor Augen:
Heute sollte es noch nach Hamburg gehen. Zu letzt war ich als Zehnjähriger dort gewesen. Damals auf einem Campingplatz mit vielen Mücken und nahe eines der ersten bundesdeutschen IKEA-Häusern. Ich erinnere mich an Köttbullar. Nach einer kurzen Nacht sollte es weitergehen nach Frankfurt. Und schließlich Zürich.
Mein Flug ging von Terminal 2 aus. Man muss vermutlich dankbar sein, dass heutzutage Fluggesellschaften so rührend bemüht sind, den Kontakt zu ihren Mitarbeitern auf ein Minimum zu reduzieren. Das scheint den Passagieren nicht länger zumutbar zu sein. So stehen nun überall so nette Computer herum mit denen man selbst seine Bordkarte ausdrucken kann. Meine Miles&More Karte wollte die Maschine und schon wusste sie, wann ich wohin fliege. Ein gläserner Kunde zu sein überrascht immer wieder – gerade auch was seine Effizienz betrifft. Datenschutz und Persönlichkeitsrechte kosten nur Zeit... Leider wird man Wolfgang Schäuble dennoch nie Standbilder errichten können...
Mein Frühstück nahm ich bei einem dieser Münchner-Kettenbäcker ein, der außer guten Brezeln (noch weigere ich mich, auf das „l“ zu verzichten) nicht viel mehr hat. Wenigstens sprach die Verkäuferin in breitem lokalen Dialekt.
Gemeinsam mit meiner Kollegin Tanja ging es durch die Sicherheitsschleuße, wo – wie wir herausfanden – in München brav nach Männlein wie Weiblein getrennt wird. Herren dürfen sich rechts begrapschen lassen, Damen links. Das Ablegen der halben Garderobe sowie die Bestrahlung sämtlicher Elektronikprodukte und Wertsachen, die ich bei mir trug, wurde stets immer noch von einem lustigen „Piep“ belohnt, welchem die gekonnt streichelenden Bewegungen der in Latex gehüllten Hand eines mittelalten Beamten folgte. Vor allem Singles mögen von einer Flugreise profitieren.
Es galt noch zu Warten. Fliegen ist überhaupt eine Sache der Geduld. Erst eine gute Stunde zum Flughafen, dann 10 bis 20 Minuten Selbst-Check-In und Gepäckaufgabe, 20 Minuten Warten und Begrapschen und schließlich noch Warten auf den neudeutsch so nett genannten Boarding Call. Die Zeit vertreibt man sich mit Literatur, Presse, Heißgetränken aus Pappbechern und dem Besuch der nächsten Sanitäranlagen. Diese sind in München verflixt sauber. Und bieten – auch wieder jeglichen Kontakt mit Mitmenschen raubend – in Automaten Gummivaginas an.
Im Freistaat empfiehlt sich ein Toilettenbesuch erst ab 18 Jahren.
Der Einstieg in die Maschine gen Hamburg verlief wie in Deutschland üblich einmal wieder gekonnt chaotisch. Man stürmt einfach den Flieger und steht dann erstmal mit seinem Handgepäck (in welches der clevere Geschäftsmann, nach Augenmaß den halben Hausstand hineingequetscht hat) im Gang.
Nach einer Zeit, in der Maschinen angelsächsischer Herkunft bereits abgehoben und die ersten Erdnüsse serviert hätten, sitzt man endlich. Und ein so viel jüngerer als man selbst aussehender Flugbegleiter schließt die Gepäckfächer über den Sitzen. Unserer war in diesem Fall nett. Hatte aber ein deutlich zu kurzes Jackett an. Aber es sei ihm verziehen.
In der Luft griff ich zu einem Buch, meine Kollegin saß an ihrem Laptop und arbeitete – mir dabei ein schlechtes Gewissen bereitend.
In Hamburg das Gepäck gegriffen und raus. Dort standen ganz schick und professionell Einweiser da, welche die Reisenden auf Taxis verteilten. Ich setzte mich nach Vorne, meine beiden Kolleginnen Tanja und Mari auf die Rückbank. Der Fahrer war ein Schwarzer, der vom Akzent und vom Namen seines am Amurturenbrett baumelnden Gewerbeausweises Ami gewesen zu sein schien. Welchen Weg können Menschen einschlagen, dass sie von den USA in den Straßen von Hamburg landen?
Ich blickte aus dem Fenster. Rote Backsteinhäuschen am Wegesrand. Ein Stadtpark. Alles flach. Vor uns dann Wasser. Die Alster? Links abgebogen und da stand das Atlantic Hotel. Ich denke an den Bond, in dem Desperate Housewife Terri Hatcher dort mit 007 im Bett landet. Sie war dann das der zwei Girls, die im Film gemeuchelt wurde. Bond-Schreiber werden wohl Münzen werfen, wen’s erwischt.
Unser Hotel lag nicht all zu weit davon weg. In einer kleinen Seitenstraße. Das Haus war gemütlich und sehr individuell. Bücherregale standen in den Ecken. Die Zimmer waren auf einzelne Gebäude verteilt. Meines war im „gelben Haus“. Tanja und Mari mussten sich eines teilen, war doch eine Reservierung anscheinend von irgendjemand mysteriöserweise annulliert worden. Wir trafen im Hotel auf unsere Kollegin Tuula aus Helsinki, die uns auf der weiteren Reise begleiten sollte. Auch unser Termin (ein Herr „besten Alters“ aus Flensburg) saß bereits im Café des Hotels. Er hatte sich noch mit einem alten Bekannten seinerseits getroffen.
Wir bezogen erst unsere Bleibe für die Nacht. Ein hübsches Zimmer. Schön geschnitten, individuell gehalten mit gutem Badezimmer.
Im nahen Subway versorgte ich mich mit einem Mittagessen und musste der jungen Angestellten, die alles und jeden ganz Ikea-Spokesperson-mäßig sofort duzte, erklären, dass es ja klasse sei, für das große Sandwich nur einen Euro mehr zahlen zu müssen, mir aber ein halbes voll und ganz genüge. Schnäppchenjäger verfetten früher. Zurück im Hotelzimmer gegessen und dabei den Boden mit Krümeln des watteähnlichen Sandwichbrotes geschmückt. Ein kurzer Wisch mit dem Schuh ließ diese dann unter dem Bett verschwinden. Alles soll ja seine Ordentlichkeit behalten.
Den Nachmittag verbrachten wir im Hotel über Kaffee und Tee sitzend bei Geschäftsterminen. Von der Stadt sah ich nichts. Ich hätte sonstwo sein können. Göttingen. Baden-Baden. Zu Hause. Bedauernswert, aber das Los des Dienstreisenden.
Unsere Abendveranstaltung fand nicht weit entfernt statt. Im Geschäft der finnischen Desingermarke Iittala. Der Abend lief gut. Es kamen Partner, mir wurden jede Menge Menschen vorgestellt und nebenher gab es Glöggi, die finnische Glühweinvariante, Mini-Piroggen und Fleischbällchen wahlweise mit Preiselbeeren oder Mango-Chutney. Der Weißwein schmeckte etwas zu gut. Auch ein Weihnachtsgeschenk fand ich. Wir bekamen Prozente.
Gegen 21 Uhr war der angenehme Spuk zu Ende, wir verabschiedeten uns von den netten Mitarbeitern von Catering und Shop und traten den Rückweg zum Hotel an. Vorbei am imposanten Hauptbahnhof der Hansestadt. Kurz dahinter blieben wir in einer Bar auf einem Abschlusstrunk hängen. Ich bestellte Whisky. Die lokale Biermarke erwies sich vor Ort teurer als in einer mir gut bekannten Kneipe in München. Punkt für Bayern.
Der Tag klang aus. Mit jeder Menge Eindrücken. Mein erster Geschäftsreisetag. Ein wenig chattete ich noch mit Bekannten, den Segnungen des mobilen Internets sei dank. Sucht könnte man mir auch unterstellen. Erschöpft, glücklich, überwältigt und leicht angetrunken fiel ich ins Bett...
Es war nun Anfang Dezember 2008. Der erste Schnee war bereits gefallen und wieder geschmolzen und ich war seit gerade einmal zwei Wochen in meiner neuen Arbeitsstelle, welche versprach, mich des Öfteren durch halb Europa – und vor allem gen Norden – zu schicken. Mit dem herannahenden Weihnachtsfest bot es sich an, in drei verschiedenen Städten für unsere Geschäftspartner kleine Abendveranstaltungen anzusetzen. Dies sollte mitunter auch den Zweck erfüllen, mich in diese Gesellschaft einzuführen.
So kam es, dass am Dienstag, den 2. Dezember, kurz vor 7 Uhr morgens mein Handy seinen fröhlichen Gitarrenklimper-Wecker erschallen ließ. Aus dem Bett raus, unter die Dusche, rasieren und schließlich in einen der neuen Anzüge hinein, die man sich extra für diese Anlässe zugelegt hatte. Draußen war noch dunkel und mir stellte sich die Herausforderungen, mein Gepäck zu schließen. Leicht zu reisen fiel mir noch nie leicht. Aber Gewalteinwirkungen gegen den Reisverschluss meines Koffers führten bislang immer zum Ziel.
Mit der U-Bahn – die in München in den Wintermonaten freundlicherweise stets so geheizt wird, dass man sich freudig wieder in die Kälte hinauswirft um dem Hitzschlag zu entgehen – ging es zum Ostbahnhof. Dort auf meine S-Bahn wartend, zog schnaufend eine alte Dampflokomotive vorbei. Wie aus einem Film der frühen 50er Jahre. Nur Heinz Rühmann fehlte am Bahnsteig...
Möchte man an der Verbindung zum Münchner Flughafen, der auf den nicht immer leicht zu ertragenden Namen „Franz Josef Strauß“ hört, etwas gutes finden, so kann man doch sagen, dass reichlich Zeit geboten wird, sich über die kommende Reise Gedanken zu machen. Während auf der 40-minütigen Fahrt das neue Hochhaus der SZ im malerischen Stadtteil Steinhausen (welcher mitunter am bekanntesten für seinen Straßenstrich sein mag) und schließlich die Ebenen Oberbayerns an mir vorbeiglitt, führte ich mir noch einmal die nun kommenden Tage vor Augen:
Heute sollte es noch nach Hamburg gehen. Zu letzt war ich als Zehnjähriger dort gewesen. Damals auf einem Campingplatz mit vielen Mücken und nahe eines der ersten bundesdeutschen IKEA-Häusern. Ich erinnere mich an Köttbullar. Nach einer kurzen Nacht sollte es weitergehen nach Frankfurt. Und schließlich Zürich.
Mein Flug ging von Terminal 2 aus. Man muss vermutlich dankbar sein, dass heutzutage Fluggesellschaften so rührend bemüht sind, den Kontakt zu ihren Mitarbeitern auf ein Minimum zu reduzieren. Das scheint den Passagieren nicht länger zumutbar zu sein. So stehen nun überall so nette Computer herum mit denen man selbst seine Bordkarte ausdrucken kann. Meine Miles&More Karte wollte die Maschine und schon wusste sie, wann ich wohin fliege. Ein gläserner Kunde zu sein überrascht immer wieder – gerade auch was seine Effizienz betrifft. Datenschutz und Persönlichkeitsrechte kosten nur Zeit... Leider wird man Wolfgang Schäuble dennoch nie Standbilder errichten können...
Mein Frühstück nahm ich bei einem dieser Münchner-Kettenbäcker ein, der außer guten Brezeln (noch weigere ich mich, auf das „l“ zu verzichten) nicht viel mehr hat. Wenigstens sprach die Verkäuferin in breitem lokalen Dialekt.
Gemeinsam mit meiner Kollegin Tanja ging es durch die Sicherheitsschleuße, wo – wie wir herausfanden – in München brav nach Männlein wie Weiblein getrennt wird. Herren dürfen sich rechts begrapschen lassen, Damen links. Das Ablegen der halben Garderobe sowie die Bestrahlung sämtlicher Elektronikprodukte und Wertsachen, die ich bei mir trug, wurde stets immer noch von einem lustigen „Piep“ belohnt, welchem die gekonnt streichelenden Bewegungen der in Latex gehüllten Hand eines mittelalten Beamten folgte. Vor allem Singles mögen von einer Flugreise profitieren.
Es galt noch zu Warten. Fliegen ist überhaupt eine Sache der Geduld. Erst eine gute Stunde zum Flughafen, dann 10 bis 20 Minuten Selbst-Check-In und Gepäckaufgabe, 20 Minuten Warten und Begrapschen und schließlich noch Warten auf den neudeutsch so nett genannten Boarding Call. Die Zeit vertreibt man sich mit Literatur, Presse, Heißgetränken aus Pappbechern und dem Besuch der nächsten Sanitäranlagen. Diese sind in München verflixt sauber. Und bieten – auch wieder jeglichen Kontakt mit Mitmenschen raubend – in Automaten Gummivaginas an.
Im Freistaat empfiehlt sich ein Toilettenbesuch erst ab 18 Jahren.
Der Einstieg in die Maschine gen Hamburg verlief wie in Deutschland üblich einmal wieder gekonnt chaotisch. Man stürmt einfach den Flieger und steht dann erstmal mit seinem Handgepäck (in welches der clevere Geschäftsmann, nach Augenmaß den halben Hausstand hineingequetscht hat) im Gang.
Nach einer Zeit, in der Maschinen angelsächsischer Herkunft bereits abgehoben und die ersten Erdnüsse serviert hätten, sitzt man endlich. Und ein so viel jüngerer als man selbst aussehender Flugbegleiter schließt die Gepäckfächer über den Sitzen. Unserer war in diesem Fall nett. Hatte aber ein deutlich zu kurzes Jackett an. Aber es sei ihm verziehen.
In der Luft griff ich zu einem Buch, meine Kollegin saß an ihrem Laptop und arbeitete – mir dabei ein schlechtes Gewissen bereitend.
In Hamburg das Gepäck gegriffen und raus. Dort standen ganz schick und professionell Einweiser da, welche die Reisenden auf Taxis verteilten. Ich setzte mich nach Vorne, meine beiden Kolleginnen Tanja und Mari auf die Rückbank. Der Fahrer war ein Schwarzer, der vom Akzent und vom Namen seines am Amurturenbrett baumelnden Gewerbeausweises Ami gewesen zu sein schien. Welchen Weg können Menschen einschlagen, dass sie von den USA in den Straßen von Hamburg landen?
Ich blickte aus dem Fenster. Rote Backsteinhäuschen am Wegesrand. Ein Stadtpark. Alles flach. Vor uns dann Wasser. Die Alster? Links abgebogen und da stand das Atlantic Hotel. Ich denke an den Bond, in dem Desperate Housewife Terri Hatcher dort mit 007 im Bett landet. Sie war dann das der zwei Girls, die im Film gemeuchelt wurde. Bond-Schreiber werden wohl Münzen werfen, wen’s erwischt.
Unser Hotel lag nicht all zu weit davon weg. In einer kleinen Seitenstraße. Das Haus war gemütlich und sehr individuell. Bücherregale standen in den Ecken. Die Zimmer waren auf einzelne Gebäude verteilt. Meines war im „gelben Haus“. Tanja und Mari mussten sich eines teilen, war doch eine Reservierung anscheinend von irgendjemand mysteriöserweise annulliert worden. Wir trafen im Hotel auf unsere Kollegin Tuula aus Helsinki, die uns auf der weiteren Reise begleiten sollte. Auch unser Termin (ein Herr „besten Alters“ aus Flensburg) saß bereits im Café des Hotels. Er hatte sich noch mit einem alten Bekannten seinerseits getroffen.
Wir bezogen erst unsere Bleibe für die Nacht. Ein hübsches Zimmer. Schön geschnitten, individuell gehalten mit gutem Badezimmer.
Im nahen Subway versorgte ich mich mit einem Mittagessen und musste der jungen Angestellten, die alles und jeden ganz Ikea-Spokesperson-mäßig sofort duzte, erklären, dass es ja klasse sei, für das große Sandwich nur einen Euro mehr zahlen zu müssen, mir aber ein halbes voll und ganz genüge. Schnäppchenjäger verfetten früher. Zurück im Hotelzimmer gegessen und dabei den Boden mit Krümeln des watteähnlichen Sandwichbrotes geschmückt. Ein kurzer Wisch mit dem Schuh ließ diese dann unter dem Bett verschwinden. Alles soll ja seine Ordentlichkeit behalten.
Den Nachmittag verbrachten wir im Hotel über Kaffee und Tee sitzend bei Geschäftsterminen. Von der Stadt sah ich nichts. Ich hätte sonstwo sein können. Göttingen. Baden-Baden. Zu Hause. Bedauernswert, aber das Los des Dienstreisenden.
Unsere Abendveranstaltung fand nicht weit entfernt statt. Im Geschäft der finnischen Desingermarke Iittala. Der Abend lief gut. Es kamen Partner, mir wurden jede Menge Menschen vorgestellt und nebenher gab es Glöggi, die finnische Glühweinvariante, Mini-Piroggen und Fleischbällchen wahlweise mit Preiselbeeren oder Mango-Chutney. Der Weißwein schmeckte etwas zu gut. Auch ein Weihnachtsgeschenk fand ich. Wir bekamen Prozente.
Gegen 21 Uhr war der angenehme Spuk zu Ende, wir verabschiedeten uns von den netten Mitarbeitern von Catering und Shop und traten den Rückweg zum Hotel an. Vorbei am imposanten Hauptbahnhof der Hansestadt. Kurz dahinter blieben wir in einer Bar auf einem Abschlusstrunk hängen. Ich bestellte Whisky. Die lokale Biermarke erwies sich vor Ort teurer als in einer mir gut bekannten Kneipe in München. Punkt für Bayern.
Der Tag klang aus. Mit jeder Menge Eindrücken. Mein erster Geschäftsreisetag. Ein wenig chattete ich noch mit Bekannten, den Segnungen des mobilen Internets sei dank. Sucht könnte man mir auch unterstellen. Erschöpft, glücklich, überwältigt und leicht angetrunken fiel ich ins Bett...
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