Die Nacht fühlte sich kurz an. Ein morgendlicher Blick auf die noch dunklen Straßen brachte eine Überraschung: es schneite.
Als Süddeutscher verbindet man Schnee in Hamburg stets mit Schadenfreude. Wenn hier mal ein paar Flöckchen vom Himmel kommen, berichtet die Tagesschau gleich von einem Wetterchaos. Das da draußen waren aber keine paar Flöckchen. Das war ein ordentliches Schneegestöber. In Hamburg. (Später hieß es, in München sei es den ganzen Tag über sonnig gewesen...)
Der Weg zum Frühstück führte ins Freie. Meine so gut zum Anzug passenden schwarzen Schuhe erwiesen sich nur wenig wintertauglich und so schlitterte ich mit Koffer im Schlepptau den Bürgersteig entlang. Gebrochen habe ich mir nichts.
Ich war der letzte unserer kleinen, vierköpfigen Gruppe, der am Frühstückstisch eintraf. Müsli, Tee und ein Muffin waren meine erste Mahlzeit des Tages... weitaus mehr, als das was ich üblich zu mir nehme; es war ja im Zimmerpreis inbegriffen. Ein Schwabe bin ich, eine Schwabe bleib ich.
Der Fußweg zum Hamburger Hauptbahnhof war ebenfalls eine schöne Schlitterpartie im Schnee. Ich erwartete eine Nachrichtenkamera, die mich bei einem eventuellen Fall auf mein hübsches Hinterteil filmen würde, so dass ich dann als Beweis für eine Schneekatastrophe in der Hansestadt in den Hauptnachrichten hätte dienen können. Wider Erwarten schaffte ich es heil in die imposante Bahnhofshalle, die mit noch imposanteren Weihnachtsdekorationen geschmückt war. Hatte alles etwas mehr klasse als in München.
Neben einer Gruppe Schulkinder warteten wir auf unseren ICE nach Frankfurt am Main. Ich versuchte noch meine Bekannte Silke zu erreichen. Sie hatte sich eigentlich mit mir in Hamburg treffen wollen. Beim nächsten Mal eben. Hoffentlich sehe ich dann auch was von der Stadt...
Der ICE kam pünktlich. Die Fahrt war ereignislos. Vor den Fenstern alles weiß. Viel zu tun gab es noch. Der Zug bot kein Internet. Und das im Jahr 2008... und selbst der Handyempfang war mies. Die Region, die wir durchquerten, wurde mir auch einmal als „Hessisch-Sibirien“ beschrieben. Ich weiß nun, warum.
In Frankfurt regnete es. Dicke, graue Wolken hingen an den obersten Stockwerken der Hochhäuser. Mittlerweile vermute ich, dass Frankfurt einfach nicht möchte, dass ich es mag. Unser Hotel lag in einer Straße nahe am Bahnhof. Die Herberge können wir mal getrost bescheiden nennen.
Wir spazierten zu unserem ersten Termin vorbei an einer Reihe Döner-Buden, Sexshops (inklusive dem „Dolly Buster Center“) und einem Juwelier, vor dem zwei Polizeibeamte in einer Montur, die ich nur der GSG 9 zugetraut hätte, einen Jugendlichen nicht näher definierter Nationalität (das wäre wohl politisch nicht korrekt) bäuchlings auf den Boden vor der Tür gedrückt hielten. Sympathischer erster Eindruck... Im Erdgeschoss des Hochhauses der Europäischen Zentralbank lag ein Euro-Souvenirshop. Knapp dahinter lag eine Mercedes Benz Filiale mit angeschlossenem Café, in der wir unseren ersten Geschäftspartner des Tages trafen.
Dem Gespräch schloss sich ein weiterer Spaziergang durch die Frankfurter Innenstadt an: Hauptwache, Blick auf die Zeil und weiter im Slalomkurs zahlreichen Baustellen ausweichend. Manche von den Hochhäusern wirken, als neigten sie sich bedrohlich auf die Passanten. Wir durchquerten eine U-Bahn Station, deren Foto man ganz nett in den Duden neben den Begriff „abgefuckt“ setzen könnte. Als Kulisse einer Vergewaltigungsszene könnte sie auch ohne weiteres herhalten.
Ein kleines, recht altmodisches Café diente uns als Ort für den nächsten Termin. Lief gut. Gleich gegenüber war die Location für unsere Abendveranstaltung: der Laden von Marimekko, einer recht stylischen wie zeitlosen finnischen Modemarke. Nette Finnen bedienten uns. Es gab Rentierhäppchen. Lecker. Ein weiteres Viech, das ich also schon mal gegessen hab. Jetzt freu ich mich mal auf Elch.
Kurz vor 21 Uhr waren die Gäste fort. Ich hatte mich noch mit einer Freundin aus Studienzeiten verabredet, die ich seit 2006 nicht mehr gesehen hatte. Den Weg gestaltete ich mir kompliziert. Zwei mal stieg ich in der Frankfurter U-Bahn um, die niedlicherweise was von alten Straßenbahnen hat. Wenigstens hat man dort unter Tage überall Handyempfang (vermutlich um im Notfall die Polizei zu verständigen), wovon sich München ruhig mal eine Scheibe abschneiden könnte.
Gemeinsam saßen wir dann in einer gemütlichen Bar bei Bionade (ach ja... Zeitgeistgetränke haben schon was) und tauschten Geschichten aus. Es tat gut. Mittlerweile erkennt man gute Freunde sehr schnell daran, ob man nach Jahren, in denen man sich nicht gesehen hat, sich nichts mehr zu sagen hat oder sich so unterhält, als hätte man sich erst gestern zu letzt gesehen.
Gegen Mitternacht war ich im Hotel. Mein Zimmer ging zu einem Hinterhof raus. Unter der Nachtkonsole tummelten sich Wollmäuse. Ich ignorierte den Gedanken, was die Matratze wohl verbarg, und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Dienstag, 9. Dezember 2008
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