Ein unangenehmes Hotelzimmer kann einem die Nacht arg verleiten. Das Rasieren am Morgen übrigens auch. Und ich hege den ganz starken Verdacht, dass ich hier meinen wundervollen Füllfederhalter, den ich letzte Weihnachten von meinen Großeltern geschenkt bekam, vergessen habe. Auf spätere Nachfrage hatte das Hotel natürlich nichts gefunden. Gewisse Vermutungen gegen das Housekeeping-Personal stellen sich da ein...
In der Lobby treffe ich auf meine Damen. Diese haben gerade ein kleines Frühstück zu sich genommen. Etwas Obstsalat, Kaffee – nicht mehr. Das Hotel rechnet standardmäßig 14,95 € ab. Reisender, kommst du nach Frankfurt, mache einen weiten Bogen um das Leonardo Hotel am Bahnhof!
Ein junger Taxifahrer südländischer Herkunft – der best gekleidete seiner Zunft auf unserer Reise – wartet schon. Auf unserer Fahrt zum Flughafen verlieren wir uns in Fachgesprächen darüber, wie sehr Australien sein Tourismusmarketing derzeit auf den neuen Kinofilm „Australia“ mit Nicole Kidman aufbaut. In den USA floppte der Streifen bereits...
Der Check-In am Airport geht schnell von statten. So langsam weiß man die Automaten zu bedienen. Ich rufe Sandra an. Sie ist eine liebe Freundin, die mir einst mit ihrem Computer eine wichtige Präsentation rettete. Irgendwo in dem Gewusel des Frankfurter Flughafens arbeitet sie. Im Moment steckt sie allerdings noch im Stau. Unser abgemachter, gemeinsamer Kaffee muss warten. Ich bummle wartend durch Terminal 1. Überall Desinger-Boutiquen. Ein Buchgeschäft (in dem ich in Asterix-Alben schmökere) und eine Beate Uhse Filiale, deren Vorhang am Eingang gerade so weit auf ist, dass die Neugier geweckt wird.
Ich bin passenderweise auf dem Klo, als Sandra anruft um zu sagen, dass sie mittlerweile da ist. Wir landen bei Starbucks, wo sie Ermäßigungen bekommt. Ein kurzer Austausch, der noch kürzer wird, als ich von meiner Kollegin Tanja die SMS bekomme, mich ja zu beeilen da der Sicherheitscheck ewig dauern würde.
Check Nummer 1 endete mit dem selben, liebevollen Betatschtwerden wie in München, geht aber schnell. Es folgt die Passkontrolle, die daran erinnert, dass unser nächstes Reiseziel sich immer noch geradezu wehrhaft einem EU-Beitritt widersetzt. Dann weiter zu Sicherheitscheck Nummer 2, der nötig wird, da an unserem Gate auch internationale Reisende umsteigen ohne je offiziell deutschen Boden zu betreten. Hier zieht sich nun die Schlange und meine inneren Flüche auf die Schweizer Haltung Europa gegenüber werden kräftiger. Auch hier piepst es wieder und ich frage mich ehrlich, ob in meine Kleidung Stahl eingewebt wurde. Nach dem nun schon vertrauten Petting durch einen Sicherheitstypen bittet der mich auch noch, meine Schuhe auszuziehen. Die Hitze im Terminal bedingt, dass sich meine Socken nicht zu appetitlich darstellen. Aber es ist ja sein Job, nicht meiner.
Per Shuttle geht es zu unserer Maschine der Swiss. Wir nehmen Platz – und sitzen dann erst mal. Und sitzen. Aus dem Cockpit erfahren wir, dass der Flughafen wegen eines Notfalles gesperrt wurde. Durch das Fenster sehe ich Rettungsfahrzeuge vorbeijagen. Der Tag wird immer besser. Eine gute Stunde stehen wir am Boden. Wenigstens bekommen wir Toblerone. Die Schweiz wird mir wieder ein Stückweit sympathischer.
Als wir uns zu fragen beginnen, ob wir unsere Termine noch einhalten können, kommt das Okay zum Abheben. Wir fahren an einem United Airlines-Flugzeug vorbei, von dem meine Kolleginnen meinen, Flammen aus einem der Triebwerke zu sehen.
Kaum dass wir in der Luft sind kann ich bereits die Alpen erkennen. Unter uns der Bodensee. Ganz klar sind die Inseln Reichenau und Mainau auszumachen. Dort liegt Konstanz. Ein Freund von mir lebt dort... Ich kann meine Augen nicht von den Bergen nehmen. Sie bedecken den Horizont. Ich bete, dass ich im Leben nie so viel reisen werde, dass mich solch ein Blick aus einem Flugzeug nicht länger begeistern kann. Mit dem Wissen, dass ich uns damit wohl abstürzen lassen kann, schieße ich Fotos. Es ist atemberaubend.
In Zürich stehen wir am Gepäckband und warten auf Tanjas Koffer. In der Zwischenzeit lerne ich auf der Toilette, dass man in der Schweiz Türen nicht drückt, sondern stößt. Tanjas Koffer kommt nicht. Ein deutscher Herr mittleren Alters, der sich wie ich meine schon in Frankfurt aufgeregt hat und seinen „Senator“-Status-Trumpf ungefragt ausspielen musste, vermisst ebenfalls sein Gepäck. Und dies lautstark.
Die Schlange zieht sich mit einer wohl der Schweiz eigenen Gelassenheit – welche die Touristen nicht unbedingt zu teilen scheinen. Tanja’s Koffer ist weg. Dafür erhält sich ein hübsches Kulturtäschchen mit Zahnbürste, T-Shirt und „Frauenzeugs“.
Wieder nehmen wir ein Taxi. Die Zeit wird uns etwas knapp. Der Taxifahrer ist so nett und klärt uns darüber auf, wo man in Zürich die beste Bratwurst findet. Unser Hotel ist ein kleines Gasthaus im Herzen der Altstadt. Schon beim Betreten fühlt man sich wohl. Das Personal an der Rezeption ist mit solcher Selbstverständlichkeit freundlich, dass Frankfurt sofort vergessen ist. Im Zimmer, wo wieder Toblerone auf dem Kopfkissen liegt, reiße ich das Fenster auf und genieße die knackig frische Luft, die durch Zürich weht. Auf dem kleinen Platz vor dem Hotel wird gerade ein Weihnachtsbaum dekoriert. Mir gefällt’s.
Tanja und ich machen uns dann auf dem Weg zu unserem Gespräch bei einem Reise-Fachmagazin. Wir stoppen bei der uns empfohlenen Wurstbude direkt am Zürich-See. Der Taxifahrer hatte mit großer Wahrscheinlichkeit Recht und der dortige Hausmachersenf ist so herrlich scharf, dass mir die Tränen kommen.
Mit der Tram geht’s weiter. Die Büros, in die wir müssen, liegen im 3. UG. Horrorvorstellungen an so manche Souterrainwohnung, die man mal gesehen hat, kommen hoch – die Büros erweisen sich allerdings als wundervoll hell und geräumig.
Zurück in der Innenstadt fängt die nette Dame am Ticketschalter, wo wir die Bahnkarten für die Rückfahrt zum Flughafen kaufen, gleich einen freundlichen Plausch über München an. Zürich wird mir immer lieber.
Dieses Gefühl setzt sich fort, als wir durch kleine Gassen mit ihren charmanten Fachgeschäften spazieren. Neben Designerläden stehen jahrhundertealte Bäckereien – und ein weihnachtlich geschmückte Kondomhandlung. Die Schweiz hat mittlerweile bei mir eine ganze Reihe fetter Pluspunkte.
Unser nächster Termin mit einem Schweizer Reiseveranstalter ist wieder im Hotel. Danach geht es zu unserem letzten Abendtermin auf unserer großen Fahrt. Dieser ist in einer Wirtschaft, welche ein kurze Gasse weg liegt. Die Gäste sammeln sich zahlreich. Dieses Mal ist es kein Stehempfang wie in Hamburg oder Frankfurt, sondern ein gemütliches Abendessen. Man tauscht sich aus. Die Atmosphäre ist freundschaftlich. Ich versuche, nicht unbedingt gut, mein Schwäbisch hervorzukramen. Es heißt, die Schweizer schätzten mundartbewanderte Deutsche mehr als die Hochdeutsch sprechende Variante...
Die Schweizer erweisen sich als überraschend ausdauernd. Um viertel nach neun habe ich eigentlich mit einem alten Schulkameraden, der derzeit in Zürich an seiner Promotion arbeitet, verabredet. Peinlich berührt muss ich mich verabschieden, während meine Kolleginnen bleiben. Nicht der beste Eindruck, den ich hinterlasse. Ärgerlich. Aber ich möchte Benny wieder sehen. Als ich ihn irgendwann neben meinem begeisterteten – und von Müdigkeit gespickten – Redeschwall über meine neue Arbeit zu Wort kommen lasse, eröffnet er mir, er sei verlobt... Ich werde alt. Wir trinken in einer Bar hoch über den Dächern der Stadt zwei Bier.
Zu letzt kommt Benny noch mit ins Hotel. Wir reden weiter. Ich lerne, was ich tragen soll und was nicht. Trotzdem verzichte ich weiterhin wenn möglich auf Krawatten. Gegen Mitternacht verabschieden wir uns. Ich bin müde, lese aber noch ein wenig und schlafe dann erschöpft und immer noch überwältigt von den Eindrücken der letzten Tage ein.
Die Reise zurück nach Deutschland erweist sich als angenehm unspektakulär. Gemeinsam mit Tuula aus Helsinki geht es über den eleganten Züricher Hauptbahnhof zum Flughafen. Hier verabschieden wir uns. Das nächste Mal werden wir uns im Januar zur Reisemesse in Finnland sehen.
Hinter dem Sicherheitscheck, der dieses Mal zu meinem tiefsten Erstaunen ohne jeglichen Piep-Ton erfolgt, besorge ich noch etwas Schweizer Schokolade für meine Mutter, zu deren Geburtstag ich nun nach Hause fahre.
Der Flug ist wie Busfahren. Gerade mal 30 Minuten braucht es nach Stuttgart. Unter mir wieder Berge. Dann die schneebedeckte Schwäbische Alb. Ich erkenne Landschaften...
Die S-Bahnfahrt vom Flughafen zum Stuttgarter Bahnhof dauert fast eine halbe Stunde. Beim Aussteigen fällt mir ein am Fenster des Wagons klebender Psalm auf. Ich bin in Stuttgart. Wo sonst?
Erschöpft und mit einer Tüte mit fettigem Burger King-Inhalt falle ich in meinen Zug gen Ulm. Die vergangenen Tage waren Wahnsinn. So viel gesehen, so viel getan. So viele Menschen kennen gelernt. Ich bin müde. Und unglaublich dankbar.
Ich bin Geschäftsreisender.
Mittwoch, 10. Dezember 2008
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