Samstag, 5. Januar 2008

Meine bildliche Scham

Ich habe gesündigt. Das ist mir zu tiefst peinlich. Ich bitte um Verzeihung. Bei euch. Bei den Abonnenten der ”Zeit”. Und bei der Akademie. Welcher ist egal. Denn: ich habe die BILD Zeitung gekauft.

Dies war nicht mal ein Unfall. Nein, ich traf die bewusste Entscheidung, für die Kampfschrift des Springer Verlages Geld auszugeben. Ich nahm dieses sich so eklig billig anfühlende Papier, das durchtränkt ist von der Druckerschwärze der viel zu großen Überschriften, in die Hand und bezahlte dafür.

Lässt sich diese Tat, die so gegen wider meiner innersten die schönen Künste, Philosophie und die sozialen Errungenschaften des modernen Europas schätzenden Überzeugung ist, irgendwie entschuldigen? Zumindest vielleicht erklären:
Ich bin ein guter Enkel.

Ich kaufte dieses Blatt für meinen Großvater. Der ist über 90 Jahre, hat Kaiserreich, Weimarer Republik-Chaos, Hitler, Stunde Null und Bundesrepublik mitgemacht und genießt nun sichtlich, mit seinem Alter alles entschuldigen zu können. Und das schließt die BILD mit ein, diese hetzerische und heuchlerische Ausgeburt deutschen Journalismus. Dieses Machwerk der hinterhältigsten Diffamierung und des niedersten Populismus. Und ich hab sie gekauft. Doch mein Opa freut sich über die BILD mit ihren fast nur aus reißerischen Überschriften bestehenden Artikeln und den jungen Damen, die sich auf jeder zweiten Seite irgendwo räkeln – vermutlich um sich endlich was zum Anziehen leisten zu können, sind sie doch in der Regel recht dürftig bekleidet... was ja auch irgendwie für meinen Opa in seinem biblischen Alter spricht...

Also nahm ich sie für ihn mit. Gut im Einkaufskorb unter Tempo Taschentüchern und dem Salat für’s Abendessen versteckt. Vermutlich wäre mir der Kauf des Hustlers oder selbst der Playgirl weniger peinlich gewesen (nehme ich doch an, dass man auch die für ihre Artikel kaufen kann... oder so...). Erinnert sich noch jemand meiner geneigten Leserschaft an die vielleicht einzig brauchbare Reklame der Deutschen Aidshilfe, in der Ingolf Lück im Supermarkt bei Hella von Sinnen Präservative bezahlen möchte und daraufhin der wundervoll rheinländische Schrei der Frau von Sinnen kommt: ”Tinaaaaa, watt kost’n die Kondooo-me?” Ähnliches befürchtete auch ich, als die Kassiererin die BILD Zeitung über ihren Scanner zog. Wobei ich bei Kondomen keinen so hochroten Kopf bekomme. Immerhin kann man so stolz der ganzen Welt entgegenbrüllen eben ohne zu brüllen: ”YES!!! Ich bekomm’s besorgt Ihr Looooooser!”... Oder so ähnlich eben... Was zeige ich aber mit der BILD? Nun ich kaufte sie in einem Dorfsupermarkt. Und das noch in einem Dorf, in dem bei jeder Wahl noch brav nach der Kirche bei der CDU das Kreuzle gemacht wird. Da dürfte dies noch relativ egal sein.

Aber selbst hier, und um so noch mal auf die Kondome zurückzukommen, findet sich hier im Supermarkt mittlerweile eine breite Auswahl an Präservativen hübsch drapiert neben den Tampons – und auch mehrere Markengleitgel-Produkte. Wann kam denn das im Lebensmittelhandel auf? Bin ich schon so alt und überholt, dass ich meinte, die gäbe es nur im dafür spezialisierten Erotikgeschäft? (Noch Heute halte ich das Wort ”Ehehygiene” für eine Sternstunde der deutschen Sprache...)

Vielleicht packe ich das nächste Mal ein Fläschchen Durex neben die BILD...

1 Kommentar:

pcxHB hat gesagt…

"Wann kam denn das im Lebensmittelhandel auf?"

Wahrscheinlich seit man im Fachgeschäft für Erotikbedarf ziemlich weltfremde, um nicht zu sagen dreiste, Preisvorstellungen hat. Aber da habe ich mich schon in meinem letzten Blogeintrag drüber aufgeregt, das reicht für heute.