Ein Vorteil des modernen Reisens sind die Menschen, die mit einem reisen. Vor Jahren gab es da beispielsweise einen recht cleveren Werbespot der Deutschen Bahn AG, in der mein Spezi Sönke Wortmann – neben einem älteren Ehepaar sitzend – diesen Vorzug pries. Das war noch in der Zeit vor Lokführerstreik, Privatisierungswahn und Brezelfrau.
Ich saß nun diese Woche in einer Fokker 100 auf dem Weg von Paris Charles de Gaulle (wo ich sehr zu meinem Missfallen keinen Starbucks finden konnte...) nach Stuttgart.
Den Sitz neben mir belegte eine etwas rundlichere Dame um die 40 in einem grauen Jogginganzug. Ich ging davon aus, sie sei Amerikanerin, sprach sie doch mit ihrem dunkelhäutigeren Sohn, der brav seinen grellbunten US-Passport in den Händen hielt, in breitestem Ehemals-Englisch. Kurz nach Abheben und während der Flieger seine Ehrenrunde über die Boulevards von Paris drehte, sprach mich diese Dame plötzlich in tiefstem Schwäbisch an. (Da ich irgendwie und verzweifelt versuchte, meine SZ aufzublättern ohne dabei zwei Flugzeugsitze zu benötigen, ging sie wohl davon aus, dass ich Deutscher sei... oder ich sprach wieder mal mit mir selbst. Kann auch sein.)
Wir kamen uns Gespräch. Es stellte sich heraus, dass all die singenden Puppen (Insider, sorry) Recht hatten und die Welt doch klein ist: die im grauen Jogging-Anzug neben mir sitzende Dame kam aus meiner Heimatstadt Ulm und war direkt an der Donau aufgewachsen. Zwei Exil-Ulmer im Flieger. Auf dem Weg nach Hause.
Vor Jahren gab es in Ulms Nachbarstadt, die sinnigerweise Neu-Ulm heißt, eine große Militärbasis der amerikanischen Armee, inklusive amerikanischer Autos, Kinos und Nuklearsprengköpfen. Und so kam es, dass sich damals eine junge Schwäbin in einen GI verliebte, ihm nach North Carolina folgte und dort eine Familie mit ihm gründete. Nun käme sie nur noch alle zwei bis drei Jahre in ihre alte Heimat.
Ich hatte das Gefühl, sie sei mit ihrem gegenwärtigen Leben durchaus zufrieden, aber die Rückkehr in ihre alte Heimat schien auch den Schmerz ans Tageslicht zu bringen, dass sie nun mal nicht mehr dort ”zu Hause” ist. Sie war gegangen. Ulm ist nur noch Erinnerung für sie und der Ort, an dem sie ihre Eltern und Freunde zurückgelassen hat um ihr Glück in der Fremde zu suchen...
Wir verabschiedeten uns am Stuttgarter Flughafen. Ihre Familie wartete dort. Sie fielen sich in die Arme. Sie war wieder daheim.
Und auch ich trat meinen Heimweg an.
Freitag, 19. Oktober 2007
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